Gleichzeitigkeit des Lebens
Es ist Krieg. Und es ist Alltag. Für die meisten von uns hat sich seit dem 24. Februar äußerlich wenig geändert. Unsere Kinder gehen weiterhin zur Schule, wir arbeiten, gehen einkaufen und joggen, feiern Feste. Alles angesichts der Katastrophe einige Kilometer entfernt. Kafka erlebte es wohl ähnlich und notiert 1914 Folgendes in sein Tagebuch:
»Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. – Nachmittags Schwimmschule.« (2.8.1914)
Das ist die Gleichzeitigkeit des Lebens.
Während meine Kinder spielen und Fantasiewelten erschaffen, bricht für ein anderes Kind in diesem Moment dessen reale Welt zusammen. Und nichts ist wie zuvor.
Während ich im Garten Blumen setze und gieße, verdorren woanders Getreidefelder und damit die Lebensgrundlage ganzer Familien. Im Jemen sind 13 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Und wir feiern die Vielfalt der Lebensmittel. Hier werfen wir mit Konfetti, woanders fliegen Bomben. Wir verabschieden uns für Stunden, Tage, vielleicht Wochen - dort für immer.
Es ist schwer auszuhalten.
Und das ist gut so. Es ist nicht leicht.
Im Aushalten, im Mittragen und Mitfühlen, verbinden wir uns miteinander. Schaffen etwas Gemeinsames und tragen so ein wenig die Last mit. Das hoffe ich.